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Überfallen in Cordoba: die Nacht in der die Unbeschwertheit verloren ging

Nach vielen positiven Erlebnissen meiner Reise durch Südamerika folgte 1 Monat vor meiner Rückreise ein einschneidendes negatives. In Cordoba (Argentinien) wurde ich auf dem Weg ins Hostel zusammengeschlagen und ausgeraubt. Was genau passierte, was ich falsch machte und wie ich damit umging erzähle ich in diesem Artikel.

Nach 4 Wochen in Rosario hatte ich sie einfach gebraucht, diese Auszeit. 1 Monat an einem Ort war mittlerweile schon fast zu sesshaft für mich, nachdem ich die letzten 6 Monate von Peru hinunter nach Patagonien und wieder gen Norden gereist war. Dieser Monat tat gut, doch nun brauchte ich ein neues Ziel: Cordoba. Auch wenn es nur übers Wochenende sein sollte.

Die Studentenstadt Cordoba

Cordoba ist die Universitätsstadt des Landes und berüchtigt für sein Nachtleben, hat jedoch auch eine schöne Innenstadt und große Parks. Meine Unterkunft lag direkt in der Innenstadt, der Vibe vor Ort bekräftigte mich: hier bin ich richtig!

Ich bin es ruhig angegangen und habe mir zunächst die Stadt angesehen, mir Zeit genommen, wie so oft Tostados gegessen und mit Gleichgesinnten über Reisepläne gesprochen. Am selben Abend traf ich mich mit alten Freunden, sowie neuen die mich über Couchsurfing kontaktierten.

Ein paar Drinks, nette Gespräche und dann zurück ins Mate Hostel – kurzer Fußweg, kein Problem. Jedenfalls nicht an diesem Freitagabend.

Für den Samstag wurde ich auf eine kleine Privatparty von Freunden eingeladen, danach stürzten wir uns ins Nachtleben von Cordoba. Die Anzahl der Bars und Clubs ist enorm und meine Freunde kannten die besten Läden. Wir tranken Fernet mit Cola (das inoffizielle Nationalgetränk), tanzten und hatten einen guten Abend.

Dennoch war ich weit davon entfernt betrunken zu sein, am Ende bestellte ich nur noch Wasser. Mittlerweile war es bereits 5 Uhr (erst ab 2h ist in den Läden etwas los). Der Burgerladen neben dem letzten Club kam wie gerufen, wir machten uns auf den Heimweg.

Cordoba ist die zweitgrößte Stadt Argentiniens - in der Innenstadt gibt es viele Parks zum entspannen
Cordoba ist die zweitgrößte Stadt Argentiniens – in der Innenstadt gibt es viele Parks zum entspannen

Alleine durch die Nacht

Auf dem Weg zu meinem Hostel verkleinerte sich die Gruppe stetig, letztlich hatte ich noch 5 Blocks alleine zurückzulegen und entschied die 500m zu Fuß zu gehen statt ein Taxi zu nehmen. Mittlerweile fühlte ich mich recht sicher – ich kannte das Land, die Sprache und die Gegend. Dachte ich.

Auf der Straße waren noch ein paar Nachtschwärmer unterwegs, doch nach und nach bogen diese in andere Richtungen ab. 3 Blocks vor meinem Ziel war ich plötzlich alleine und wie aus dem Nichts tauchten 2 Männer vor mir auf. Einer hockte sich hin und zog mir -ohne Vorwarnung- die Beine weg, während der andere mir mit der Faust direkt ins Gesicht schlug.

Ich lag mit dem Gesicht auf der Straße und versuchte reflexartig meinen Kopf zu schützen – einer der Angreifer trat auf ihn ein, während der andere meine Hosentaschen nach Wertsachen durchwühlte. Dann wurde es schwarz.

Als ich wieder zu Bewusstsein kam hockte ich blutend auf der Straße, mittlerweile eilten 3 Personen zu mir und fragten was geschehen sei. Noch völlig unter Schock stehend schilderte ich die Ereignisse auf spanisch und meinte „Alles Ok, mir geht's gut“.

„Nein, du siehst gar nicht gut aus. Ich rufe die Polizei und…Du musst definitiv ins Krankenhaus!“ er wies auf meine Lippe und mein Kinn. Ich spürte nichts, tastete nur was da sein könnte. Schnell merkte ich das eine riesige Platzwunde unter meinem Kinn klaffte und ich eine offene Wunde zwischen Lippe und Kinn hatte.

„Scheiße, warum ausgerechnet jetzt?“ dachte ich mir und verfluchte mich für meine Dämlichkeit und die Missachtung meiner eigenen Sicherheitsgrundsätze. Immerhin hatte ich mich wenigstens an ein paar andere gehalten: an diesem Abend hatte ich nur ein günstiges Pre-Paid Handy, umgerechnet 20€ und einen iPod dabei. Alles weg.

Die Polizei befragte mich, meinte jedoch das sie nichts tun kann – die Angreifer waren über alle Berge. Einer der Helfer meinte zu mir: „Komm, ich bring dich ins Krankenhaus. Du musst zum Arzt!“. Er rief ein Taxi und entschuldigte sich bei mir, es tat ihm unheimlich leid das dies in seinem Land passierte.

Der Unbekannte Helfer zahlte das Taxi, begleitete mich in die Notaufnahme, half mir beim ausfüllen der Formulare, wünschte mir alles Gute und verabschiedete sich, ich sollte ihn nie wieder sehen und ich kannte nichtmal seinen Namen…

kostenlose Notversorgung, tolle Ärzte

Was ich nicht wusste: medizinische Notversorgung ist in Argentinien kostenlos, auch für Ausländer. Zwar war nicht alles auf dem modernsten Stand, jedoch sind die Ärzte top ausgebildet und kümmerten sich direkt um mich. In den Behandlungszimmern lagen mindestens 6 weitere Personen die teilweise wesentlich schlimmere Schicksale erlitten hatten.
Ich wurde geröntgt, meine Platzwunden wurden mit jeweils 4 Stichen genäht und ich erhielt Medizin für die kommende Woche. Was für eine Nacht.

Im Hostel angekommen stieß ich auf tiefes Entsetzen und viel Hilfsbereitschaft die mich regelrecht überwältigte. In den kommenden Tagen wurde ich bekocht, man organisierte benötigte Medizin für mich und machte einen Termin bei einem Zahnarzt (ein halber Schneidezahn fehlte mir auch).

Diese Hilfsbereitschaft begleitete mich für den Rest meiner Zeit – vor allem Argentinier und chilenische Freunde schrieben mir Nachrichten, luden mich ein, bauten mich auf und boten ihre Hilfe an. Mein Werbe-Partner Hostelbookers sammelte Geld unter den Mitarbeitern, zudem organisierte meine Sprachschule in Rosario eine Ärztin die die Nachversorgung übernahm. Danke an dieser Stelle an alle!

So sah ich kurz nach meinem Aufenthalt im Krankenhaus aus
So sah ich kurz nach meinem Aufenthalt im Krankenhaus aus

Leichtigkeit des Reisens bekommt Kratzer

Natürlich hinterließ das Geschehene auch innere Spuren – die folgenden Wochen in Rosario und Buenos Aires ging ich mit einem ganz anderen Gefühl auf die Straßen, teilweise wurde ich übervorsichtig. Wenn es dunkel wurde vermied ich es sogar ganz raus zu gehen.

Doch nach und nach baute mich die Solidarität immer weiter auf, das zeigt auch wie wichtig es ist in diesen Stunden auf seine Freunde & Familie zählen zu können. Selbst wenn sie tausende von Kilometern entfernt sind. Das Internet kann diese Distanz ein wenig überbrücken.

So raffte ich mich auf, traf mich mit alten Freunden in Rosario und Buenos Aires und achtete darauf nicht die gleichen Fehler zu begehen. Ich verarbeitete das Geschehene relativ schnell, nicht zuletzt aufgrund der tollen Menschen die ich in Argentinien traf.

Im Leichtsinn liegt die Gefahr

Dieses Ereignis machte mir auf schmerzhafte Weise bewusst wie gefährlich es ist auf Reisen leichtsinnig zu werden (hier das Video dazu). Auch wenn Du viel Zeit in einem fremden Land verbracht hast und meinst dich auszukennen solltest du eins nicht verlieren: den Respekt und die Aufmerksamkeit. Zudem ist es wichtig grundsätzliche Sicherheitsregeln immer zu befolgen: Sicherheit in Südamerika und auf Weltreise: 30 praktische Tipps für sicheres Reisen

Seit dem Überfall ist über ein Jahr vergangen, die Wunden sind gut verheilt und ich habe mittlerweile viele weitere Reisen unternommen u.a. durch den Balkan und nach Brasilien. Argentinien zählt trotz der Geschehnisse noch immer zu meinen absoluten Lieblingsdestination, auch und vor Allem aufgrund der liebenswerten Menschen vor Ort!

Wichtig in Sachen Vorbereitung:

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Hattest du schon mit Gewalt auf Reisen zu tun?

Wenn du magst kannst du deine Erfahrungen und Tipps gerne im Kommentarbereich unter diesem Artikel hinterlassen!
 
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